Rough Shooting
Der wahre Zweck des Spaniels
Die Jagd in Westeuropa hat viele Gesichter und jede Form zieht eine andere Art von Jägern und Jägerinnen an. Die einen suchen den Nervenkitzel mit dem Bogen, andere sitzen geduldig an den Feldern auf den Rehbock ihres Lebens an.
So verschieden Methoden und Wild auch sein mögen, allen ist eines gemeinsam: Sie sind Teil einer langen jagdlichen Tradition.
von Joe Byrne
Foto credits: Sunny Thorpe -Thorpecreek Imagery
Mit Hund durchs Revier
Eine alte Tradition in neuem Gewand
In Großbritannien gehören Spaniels seit Jahrhunderten dazu. Schon immer setzte man sie ein, um Wild aufzuspüren und hoch zu machen. Diese Tradition lebt bis heute fort, vor allem mit Springer und Cocker Spaniels, die eng mit ihrem Führer zusammenarbeiten. Dieses Zusammenspiel von Hund und Mensch ist einzigartig.
„Rough Shooting“ bedeutet nichts anderes, als mit dem eigenen Hund durchs Gelände zu ziehen – Hecken, Feldraine, Buschwerk oder Moor – und dabei Wild für die Flinte zu erarbeiten. Ganz egal ob Fasan, Taube oder Kaninchen: Hier zählt die Arbeit im Team. Im Gegensatz zu den großen Gesellschaftsjagden hat Rough Shooting nichts mit Standesdünkel zu tun. Es ist eine Jagdform, die jedem offen steht, vom Jugendlichen bis zum Rentner, ob man mit Jagd großgeworden ist oder erst spät dazu findet.
Die Idee klingt einfach, die Umsetzung ist es nicht. Wer mit einem Spaniel jagt, muss ihn verstehen, ihn konsequent ausbilden und die Lebensweise des Wildes kennen. Und man muss bereit sein, bei Wind und Wetter draußen zu sein, denn die schönsten Jagderlebnisse schenkt oft ein eiskalter Wintermorgen im steilen Gelände. Wer Jagd nur im Schuss sieht, wird mit Rough Shooting nicht glücklich. Der eigentliche Lohn liegt in der gemeinsamen Arbeit mit dem Hund.
Wer sich aber die Zeit nimmt und seinem Spaniel die nötige Hingabe schenkt, wird reich belohnt, vor allem, wenn man die Stunden draußen mit guten Freunden teilt.
Und klar: Auch hier spielt Ausrüstung eine Rolle. Doch das Wichtigste steht nicht im Schrank, sondern liegt einem zu Füßen – der eigene Hund.
Den richtigen Jagdpartner finden
Einen passenden Hund auszuwählen ist wie die Wahl des Jagdpartners: Niemand verbringt gerne lange Tage draußen mit jemandem, den er nicht leiden kann. Und genauso wenig möchte man Jahre in einen Hund investieren, der nicht zu einem passt.
Zum Glück haben britische Züchter die Spaniels über Generationen konsequent auf jagdliche Leistung geprägt. Das sorgt dafür, dass viele Welpen schon mit guten Anlagen zur Welt kommen.
Ohne ins Detail zu gehen: Ein Wurf mit starken Field-Trial-Linien, besonders über die Mutterseite, erhöht die Chancen erheblich. Am sinnvollsten ist für Einsteiger meist ein gut gezogener Springer-Spaniel-Rüde: günstiger, leichter zu bekommen und vielseitig im Einsatz.
Worauf es am Ende ankommt, sind die Anlagen. Der wichtigste Punkt: Arbeitswille, im Englischen oft „Drive“ genannt. Ein Hund muss das Verlangen haben, Wild zu finden, denn das kann man nicht antrainieren. Mut und Leidenschaft, auch in der dichten Brombeere weiterzumachen, sind entscheidend.
Fast ebenso wichtig ist Ehrlichkeit. Ein Hund, der für seinen Führer arbeiten will und nicht nur für sich selbst, macht das Leben leichter. Für jedes Maß an Jagdtrieb braucht es eine ordentliche Portion Verlässlichkeit.
Hat man den passenden Hund gefunden, beginnt die Ausbildung, und die dauert. 18 Monate bis zwei Jahre konsequentes Training sind normal. Wer klug ist, holt sich erfahrene Unterstützung und stellt sich auf frühe Morgenstunden und viel Geduld ein. Am Ende sollte der Hund Wild hoch machen, Schussruhe zeigen, Feder- wie Haarwild apportieren und auf Pfiff und Zuruf reagieren. Jeder ausgelassene Schritt im Training rächt sich später im Feld.
Und wer sich fragt, ob er genug Zeit in die Ausbildung gesteckt hat, hat sie meist nicht. Genau da zeigt sich der Wert eines erfahrenen Trainers, denn er weiß, ob der Hund wirklich so weit ist, dass die gemeinsame Jagd Freude macht.
Durch die Dickung – Lernen von Hund und Wild
Mit einem Spaniel auf Rough Shooting zu gehen, kann mal unbeholfen, mal meisterhaft wirken. Wer vorher Zeit mit erfahrenen Hundeführern verbringt, schaut ihnen zu und geht vielleicht auch mal ohne eigenen Hund mit, lernt schneller und vermeidet viele Anfängerfehler.
Es gibt Jäger, die laut und hastig durchs Gebüsch brechen, während der Hund irgendwo in der Nähe arbeitet. Und es gibt die, die sich Zeit nehmen, das Gelände lesen, den Hund in Schussweite halten und dessen Instinkte einbeziehen. Die besten Rough-Shooter wirken fast mühelos: Ihr Hund sucht wie an einer unsichtbaren Leine, und am Ende des Tages liegen immer ein paar Stück Wild auf der Ladefläche. Genau mit solchen Leuten sollte man draußen unterwegs sein und dabei die Ohren aufsperren.
Je nach Deckung verändert sich auch die Arbeit des Hundes. In einem dichten Brombeergebüsch schickt man den Spaniel hinein und bleibt selbst mit der Flinte in Position, während der Hund sich durchs Dornengeflecht arbeitet. Nicht selten muss er Wild eine Weile verfolgen, bis es hoch wird – sei es Fasan oder Kaninchen. Draußen auf offenem Gelände, etwa in einem flachen Graben mit Binsen und Weißgras, stellt sich der Schütze am besten etwas erhöht, während der Hund unten systematisch absucht. So bekommt man die besten Chancen und nutzt die Stärken des Hundes optimal.
Das Wild verstehen
Für erfolgreiches Rough Shooting reicht es nicht, den Hund zu führen, man muss auch das Wild verstehen. Jede Art verhält sich anders, je nach Gelände, Wetter und Deckung.
Bei schlechtem Wetter suchen Vögel Schutz: Kälte und Nässe treiben sie in dichte Hecken, Wärme lockt sie hinaus ins Offene. Deshalb lohnt es sich oft, bei kühleren Temperaturen rauszugehen. Das Wild bleibt dann länger in der Deckung, und der Spaniel kann es sauber hoch machen.
Auch die Deckung selbst spielt eine Rolle. In einem schmalen Streifen Wildacker laufen Fasan oder Rebhuhn gerne voraus, oder drehen sogar zurück. Geht man nicht konsequent und mit gleichmäßigem Tempo durch, entwischt das Stück, ohne dass Hund oder Schütze überhaupt eine Chance bekommen.
Auf Kaninchen im Moor oder im Weißgras muss man besonders gründlich sein. In jedem Grasbüschel kann ein Kaninchen „im Sitz“ liegen. Ein guter Spaniel lernt mit der Zeit, auch diese kleinen Verstecke systematisch abzusuchen. Für viele Hunde gibt es nichts Spannenderes, als morgens im Gras ein Kaninchen herauszudrücken.
Mit jeder gemeinsamen Jagd wachsen Hund und Führer. Man lernt, das Verhalten des Wildes einzuschätzen und der Hund entwickelt seine eigene Erfahrung, die ihn immer besser macht.
Nase und Wind – das Spiel der feinen Sinne
Die Nase ist das größte Kapital eines Spaniels. Auf Wildwitterung zu vertrauen, sie zu deuten und Wild aufzuspüren, macht nicht nur den Jagderfolg aus, es ist auch das Faszinierendste an dieser Arbeit. Wer seinen Hund ausbildet und dann sieht, wie er plötzlich aus dem Suchmuster ausschert, um einer frischen Spur zu folgen, weiß, was echte Hundefaszination ist.
Damit das gelingt, braucht es zwei Dinge: das richtige Wetter und den richtigen Wind.
Wetter: Heiß und trocken? Dann hält sich kaum Witterung am Boden oder an Pflanzen und der Hund hat es schwer. Kühl und feucht? Dann ist Witterung fast überall vorhanden, und die Nase läuft zur Höchstform auf. Doch bei Starkregen kann selbst das wieder kippen. Mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, was draußen zu erwarten ist.
Wind: Noch wichtiger als das Wetter ist die Windrichtung. Mit dem Wind in der Nase kann der Hund sein Suchmuster optimal nutzen. Deshalb sollte man, wenn möglich, Deckung immer von unten anjagen, denn so hat der Hund die beste Chance, Witterung aufzunehmen, und das Wild wittert den Jäger nicht. In der Praxis klappt das natürlich nicht immer. Ein guter Hund lernt, auch mit Rückenwind umzugehen: Er läuft kurz nach vorne und sucht dann quer zurück, sodass der Wind wieder in die Nase kommt. Für viele Führer ist das der schönste Moment, wenn der Hund aus eigener Erfahrung und Instinkt so arbeitet, als hätte er es im Lehrbuch gelernt.
Fazit
Wer den ursprünglichen Zweck des Spaniels versteht, erkennt schnell, dass Rough Shooting mehr ist als eine Jagdart. Es ist eine Tradition, die Hund und Führer auf besondere Weise verbindet.
Selbst an mageren Tagen bleibt der Wert: die Zusammenarbeit, die Geschichten, die Erinnerungen – vom einmaligen Schnepfenapport bis zu den vielen Stunden im Revier mit Freunden und Hunden, die kommen und gehen.
Rough Shooting ist demokratisch, frei von Standesdünkel, und verlangt keine großen Investitionen außer Zeit, Geduld und Leidenschaft. Wer bereit ist, sich darauf einzulassen, erlebt eine Form der Jagd, die im 21. Jahrhundert genauso wertvoll ist wie vor Jahrhunderten.